"Das Foto auf Ihrem Pass sieht Ihnen nicht ähnlich"
6. Dezember 2009, 19:17
Bei der türkischen Stiftung für Wirtschaftsentwicklung häufen sich
Beschwerden über Österreich - Visaanträge sorgen für Frustration
Türkische Unternehmer beschweren sich über die Visumspolitik mancher
EU-Staaten - Österreich gilt als besonders bürokratieintensiv
Wien - Ahmet Sahap Ünlü ist sauer. Der Vizepräsident der
türkisch-österreichischen Unternehmerversammlung wollte im Vorjahr nach
Österreich reisen, zu Geschäftsterminen und Abendessen beim türkischen
Botschafter in Wien. Sein Schengenvisum war gerade ausgelaufen, und er suchte
beim österreichischen Konsulat in Istanbul um ein langfristiges Visum an. Ünlü
betonte, dass er kein Visum für eine kurze Zeitspanne brauche. Andernfalls würde
er lieber seinen Pass zurückhaben, damit nicht eine Seite seines Passes für ein
solches Visum verschwendet werde.
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Die österreichischen Behörden stellten Ünlü jedoch ein Visum für eine
einzige Woche aus. Ünlü beschwerte sich, zumal er bereits viele Schengenvisa in
seinem Pass hat und daher bekannt ist, dass seine Dokumente geprüft wurden.
"Wenn ein Geschäftsmann, der Vorstandsmitglied und Vizevorsitzender
einer bilateralen Unternehmergruppe ist, solche Schwierigkeiten bekommt, womit
muss dann ein normaler Geschäftsmann rechnen?", fragt Ünlü. "Ich will mir nicht
vorstellen, womit normale türkische Bürger konfrontiert werden. Ich hoffe das
ändert sich."
Die Frustration unter türkischen Geschäftsleuten ist groß. Cafer Sait
Okray von der türkischen Außenhandelskammer Deik sagt: "Österreich ist einer der
schwierigsten Staaten, die Leute fühlen sich beleidigt, wenn sie nach so vielen
Unterlagen gefragt werden." Okray ist sich sicher, dass Österreichs Visapolitik
gegenüber Türken auch den gegenseitigen Geschäftsbeziehungen schade. "Viele
türkische Geschäftsleute weichen nach Italien aus, obwohl es in Österreich so
eine große türkische Community gibt. Aber in vielen EU-Ländern, etwa in Italien
und Spanien, bekommt man einfacher ein Visum."
Österreich spielt bei türkischen Exporten - im Vorjahr waren es 910 Mio.
Euro - ein geringe Rolle. Im österreichischen Außenamt sieht man das anders.
Peter Launsky-Tieffenthal betont, dass man 2008 ein Geschäftsvisaprojekt ins
Leben gerufen habe, um türkischen Geschäftsleuten den Visaantrag zu erleichtern.
"Wir sind interessiert an florierenden Wirtschaftsbeziehungen. Möchte jemand
regelmäßiger nach Österreich kommen, ist keine Vorsprache am Konsulat nötig, wir
stellen längerfristige Sichtvermerke aus." Man versuche, auf die Wünsche der
türkischen Business-Community Rücksicht zu nehmen, Österreich verlange die
Dokumente, die "üblicherweise" für Schengenvisa verlangt werden.
Launsky-Tieffenthal: "Es gibt keinen einzigen konkreten Kritikfall."
Die türkische Stiftung für Wirtschaftsentwicklung (IKV) ist da anderer
Meinung. Sie hat eine Visa-Hotline eingerichtet. Die meisten Beschwerden bezogen
sich auf Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Belgien und Österreich. Die
Visaantragsteller beschwerten sich vor allem über die Begründungen, mit denen
die Visaanträge zurückgewiesen wurden: "In ihrem Antrag haben Sie Ihr Gehalt in
Zahlen angegeben, nicht in Worten" oder "Es gibt in der Türkei Sprachkurse, Sie
brauchen nicht ins Ausland zu fahren, um Kurse zu besuchen" oder "Sie führen
eine Scheinehe" und "das Foto auf Ihrem Pass sieht Ihnen nicht ähnlich",
rechtfertigten sich die Behörden diverser EU-Staaten. Oft führten sie gar keine
Gründe an.
Die IVK will sich gegen "die unfaire und unterschiedliche Behandlung,
der türkische Bürger ausgesetzt sind" bei der EU-Kommission beschweren.
Geschäftsleute kritisieren vor allem, dass die Visaausstellung zu lange dauere
und wichtige Termine versäumt würden. Ein Erasmusstudent monierte, dass er
beweisen musste, dass er 10.000 Euro auf dem Konto hat.
"Ich musste nach Österreich, um einen wichtigen Vertreter einer
österreichischen Bank zu treffen. Obwohl in meinem Einladungsbrief stand, dass
mein Sponsor die volle Verantwortung übernimmt, hat das Konsulat eine Liste von
23 Dokumenten von mir verlangt. Ich habe meinen Besuch in Österreich deshalb aus
Protest abgesagt. Mein Gegenüber war sehr enttäuscht", beschwerte sich ein
anderer türkischer Geschäftsmann über die österreichische Visapolitik.
Hürdenlauf nach Österreich
Wer im Konsulat in Istanbul anruft, wird mit einer geduldigen, aber
unnachgiebigen Telefonstimme konfrontiert. "Für Geschäftsvisa sind folgende
Unterlagen sowohl im Original wie auch in Kopie vorzulegen", wird da erklärt.
"Ein Antragsformular, der Reisepass, zwei biometrische Passbilder, eine
Reiseversicherung, eine Einladung einer österreichischen Firma, eine Fotokopie
ihres Handelsregisterauszuges, ein Kontoauszug des Antragsstellers der letzten
sechs Monate, ein Nachweis über Grundbesitz und Vermögen; bei Selbständigen:
eine Kopie des türkischen Steuernachweises, ein Nachweis über die Eintragung bei
der türkischen Handelskammer, eine Verlautbarung im türkischen Handelsblatt.
Am Ende sagt die Stimme: "Bei Antragsstellung wird eine
nichtrefundierbare Bearbeitungsgebühr von 60 Euro eingehoben, die
Bearbeitungszeit beträgt in der Regel fünf Arbeitstage." Die Zeit, um all die
Dokumente zu beschaffen, wohl auch. "Für einen Visumsantrag für einen
Familien-winterurlaub in Österreich, hat das Konsulat verlangt, dass mein
achtjähriger Sohn vorstellig wird. Er musste einen Tag von der Schule
wegbleiben", lautete eine der Beschwerden bei der Visa-Hotline. (Adelheid
Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 7. Dezember 2009)
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